Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bekämpfen
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche nimmt stetig zu. Allein im Jahr 2023 gab es in der EU 1,3 Millionen Meldungen über sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, darunter mehr als 3,4 Millionen Missbrauchsdarstellungen in Form von Bildern und Videos. Schätzungsweise ist jedes fünfte Kind in Europa von sexualisierter Gewalt betroffen. Zwischen 70 und 85 Prozent der Betroffenen kennen den Täter.
Die EU hat die Bekämpfung (digitaler) sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu einer Priorität erklärt. Da hierfür ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich ist, gibt es hierzu aktuell verschiedene politische und legislative Initiativen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Eindämmung digitaler Gewalt, die keine nationalen Grenzen kennt. Digitale Technologien verschärfen sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche weiter, insbesondere durch den rasant gestiegenen Einsatz von KI. Das Internet bietet Tätern Anonymität und zahlreiche Plattformen, auf denen Missbrauchsdarstellungen und Anleitungen zum Missbrauch erworben sowie Missbrauch an Kindern und Jugendlichen begangen werden kann. Die EU kann den Mitgliedstaaten in diesem Bereich zwar Vorgaben machen, die nationale Ausgestaltung der straf- und familienrechtlichen Regelungen ist jedoch unterschiedlich.
Am 18. November 2025, dem Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt, veröffentlichen wir eine Publikationsreihe zum Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.
Diese umfasst eine Expertise, in der die bestehenden und geplanten EU-Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von (digitaler) sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorgestellt werden. In einer umfangreichen Übersicht werden straf- und familienrechtliche Regelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt online und offline in fünf EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Irland, Schweden und Spanien) vorgestellt. In einem begleitenden Dossier werden alle Aspekte zur europaweiten Bekämpfung und Prävention (digitaler) sexualisierter Gewalt kurz und bündig erklärt.
Verhandlungen über die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
Am 6. Februar 2024 einigten sich das Europäische Parlament und der Rat der EU auf eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Der Einigung gingen schwierige Verhandlungen voraus: Das Parlament begrüßte den von der Europäischen Kommission eingebrachten Richtlinien-Vorschlag vom 8. März 2022 und wollte ihn noch weiter stärken, während der Rat der EU einige weitreichende Änderungen forderte. Größter Streitpunkt war die vom Rat geforderte Streichung einer EU-weiten Definition von Vergewaltigung. Die Mitgliedstaaten haben jetzt drei Jahre Zeit um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Digitale Gewalt: wie Gewalt im Netz weitergeht
Durch digitale Medien hat Gewalt gegen Frauen eine neue Dimension erhalten. Dabei verändern sich zum einen bereits bestehende Formen von Gewalt gegen Frauen und finden ihre digitale Entsprechung. Zum anderen lassen die Anonymität und Reichweite des Internets und die neuen Kontaktmöglichkeiten durch soziale Medien neue Formen der Gewalt entstehen.
In ihrer Arbeit beschäftigt sich die Beobachtungsstelle mit europäischen und nationalen Ansätzen zum Umgang mit digitaler Gewalt gegen Frauen: Wie gehen die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mit den Phänomenen und Auswirkungen digitaler geschlechtsbezogener Gewalt um? Welche europäischen und nationalen Ansätze existieren bereits?
Istanbul-Konvention: Dänemark, Finnland und Österreich im Vergleich
Die Beobachtungsstelle hat sich 2019/20 intensiv mit dem Thema Gewalt gegen Frauen und speziell mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt auseinandergesetzt.
Die Istanbul-Konvention ordnet Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung ein, die Ausdruck eines historisch gewachsenen ungleichen Machtverhältnisses zwischen Männern und Frauen ist und aus struktureller Diskriminierung hervorgeht. Das Übereinkommen umfasst grundsätzlich alle Formen von Gewalt.
Ihr Ziel ist es, in einem ganzheitlichen Ansatz den Schutz von Frauen vor geschlechtsbezogener Gewalt in Europa zu verbessern und europaweite Mindeststandards zu schaffen. Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten einen Beitrag zur Beseitigung dieser Form der Diskriminierung der Frauen zu leisten und damit zu ihrer formalen und tatsächlichen Gleichstellung beizutragen. Konkret enthält die Konvention Verpflichtungen zur koordinierten Vorgehensweise bei der Gewaltprävention, beim Opferschutz, bei der Strafverfolgung und bei der Datensammlung.
Menschen, die von Gewalt betroffen sind, haben Anspruch auf staatlichen Schutz. In Schutzunterkünften erhalten sie rechtliche und psychosoziale Beratung. Die Einrichtungen vernetzen mit Behörden, Gerichten und Familienhilfe. In allen drei untersuchten Staaten stehen Schutzunterkünfte Menschen in akuten Notsituationen offen.
Mit unserer Studie gibt es erstmals in deutscher Sprache einen detaillierten Einblick in die Funktionsweise von Gewalt- und Hilfeschutzsystemen in drei europäischen Ländern. Konkret geht es dabei um einen Vergleich spezialisierter Hilfsdienste (IK Art. 22), Schutzunterkünfte (IK Art. 23) und der Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt (IK Art. 25) in Dänemark, Finnland und Österreich.
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede ergeben sich dabei?
Österreich
Österreich hat sich in die zweijährigen Verhandlungen des Vertragstextes zur Istanbul-Konvention miteingebracht und diese 2011 mitunterzeichnet sowie als einer der ersten Staaten am 14. November 2013 ratifiziert. Begleitend zur Ratifizierung wurde 2013 eine Interministerielle Arbeitsgruppe – Schutz von Frauen vor Gewalt eingerichtet. Die Istanbul-Konvention trat in Österreich am 1. August 2014 in Kraft.
Von März 2016 bis Januar 2018 fand in Österreich die erste Überprüfung statt, die national von der 2015 eingerichteten Nationalen Koordinierungsstelle – Schutz von Frauen vor Gewalt begleitet wurde.
Österreich erließ 1997 als erster Staat in Europa ein Gewaltschutzgesetz. Insbesondere die Regelungen zu Wegweisungen und zivilrechtlichen Verfügungen zum Schutz vor Gewalt haben einen vorbildhaften Charakter in Europa und untermauern Österreichs führende Position im Bereich Schutz von Frauen vor Gewalt.
Finnland
Finnland unterzeichnete die Istanbul-Konvention bereits bei ihrer Verabschiedung im Jahr 2011 und ratifizierte das Übereinkommen am 17. April 2015. Seit dem 1. August 2015 ist die Istanbul-Konvention in Finnland in Kraft. Für den Zeitraum 2018 bis 2021 gab es einen Aktionsplan für die Istanbul-Konvention, dem wiederum ein Aktionsplan zur Reduzierung von Gewalt gegen Frauen (ab dem Jahr 2011) vorausgegangen war. Die erste Evaluierung der Umsetzung des Abkommens durch GREVIO fand von November 2017 bis September 2019 statt.Bei der Konzipierung und Umsetzung der Gleichstellungspolitik kommen insbesondere dem finnischen Ministerium für Soziale Angelegenheiten und Gesundheit (Sosiaali- ja terveysministeriö), sowie der im Ministerium angegliederten unabhängigen Fachstelle Nationales Institut für Gesundheit und Wohlfahrt (Terveyden ja hyvinvoinnin laitos) eine Schlüsselrolle zu. Beide Stellen sind ebenfalls stark in die Umsetzung der im Rahmen des Arbeitspapiers betrachteten Maßnahmen der Istanbul-Konvention eingebunden.
Des Weiteren gibt es seit Anfang 2017 im Ministerium für Soziale Angelegenheiten und Gesundheit ein Komitee zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (NAPE) als nationale Koordinierungsstelle.
Dänemark
Nach der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention im Jahr 2013 ratifizierte Dänemark das Übereinkommen am 23. April 2014. Es trat am 1. August des gleichen Jahres und damit mit der „ersten Welle“ von Vertragsstaaten in Kraft. Von September 2016 bis November 2017 fand die erste Überprüfung durch GREVIO statt.Die nationale Koordinierungsstelle im Sinne der Istanbul-Konvention bildet eine interministerielle Arbeitsgruppe, die bereits vor Inkrafttreten der Istanbul-Konvention die Maßnahmen der Regierung im Bereich Gewalt gegen Frauen koordinierte. Sie wird geleitet von der Abteilung für Gleichstellung (Ligestillingsafdelingen) im Außenministerium (Udenrigsministeriet).